100 % Aktien – wirklich für alle das Beste?

Was eine neue Studie herausfindet und was du daraus mitnehmen kannst:

Kurz gesagt

  • Eine aktuelle Universitätsstudie stellt gängige Regeln („mit dem Alter mehr Anleihen“) auf den Kopf.

  • Das Modell der Forscher kommt zum Ergebnis: Fast das ganze Leben über nahe 100 % Aktien – international gestreut – ist optimal.

  • Aber: Das gilt unter bestimmten Annahmen (Disziplin, US-Rentensystem, keine Steuern etc.). Für dich persönlich kann die richtige Mischung anders aussehen.

Worum geht’s überhaupt?

Viele Ratgeber predigen ein „Lebenszyklus-Portfolio“: In jungen Jahren mehr Aktien, im Alter immer mehr Anleihen (Staats- oder Unternehmensanleihen). Die Idee: Mit steigendem Alter soll das Risiko sinken.

Die Studie „Beyond the Status Quo: A Critical Assessment of Lifecycle Investment Advice“ fragt: Stimmt das wirklich – oder gibt es bessere Strategien?

So sind die Forscher vorgegangen

  • Datenschatz: Renditedaten aus 39 Industrieländern seit Ende des 19. Jahrhunderts (!) – also viele Krisen, Inflationsphasen und Booms sind drin.

  • Realistische Simulation: Statt einfacher Durchschnittswerte werden Zeitblöcke aus der Vergangenheit per „Block-Bootstrap“ neu zusammengesetzt. So bleiben Zusammenhänge (z. B. zwischen Inflation und Anleihen) erhalten.

  • Haushaltsmodell: Ein typisches US-Ehepaar mit Arbeitseinkommen, Sozialversicherungsrenten, Langlebigkeitsrisiko und einer festen Entnahmeregel im Ruhestand („4 %-Regel“).

  • Optimierung: Das Team lässt einen Computer nach der besten, altersabhängigen Aktien/Anleihen-Aufteilung suchen – ohne Leverage, ohne Shorten.

Das Ergebnis in Klartext

  • Aktien gewinnen. Über praktisch alle Lebensphasen liegt der optimale Aktienanteil nahe 100 %. Bonds (Anleihen) spielen kaum eine Rolle.

  • International streuen! Etwa ein Drittel Heimatmarkt, zwei Drittel Ausland – so senkst du das Risiko bestimmter Länder/Branchen.

  • Weniger Pleiterisiko: Die Ruinwahrscheinlichkeit (Geld ist vor Lebensende weg) ist mit dem „Aktien-only“-Portfolio deutlich niedriger als bei klassischen 60/40- oder Target-Date-Fonds.

  • Mehr Vermögen nötig? Nein – eher weniger! Wer dem Standard-Glidepath folgt, müsste laut Studie rund 60 % mehr sparen, um dasselbe Zielvermögen zu erreichen.

Warum schneiden Anleihen so schlecht ab?

  • Schwache reale Renditen: Langfristig waren die nach Inflation erzielten Zinsen oft mager.

  • Inflationskiller? Eher nicht. In vielen Phasen liefen Anleihen schlecht, wenn die Inflation stieg – genau dann, wenn du Schutz brauchst.

  • Höhere Korrelation zu Aktien: In den letzten Jahrzehnten bewegten sich Bonds und Stocks häufiger in die gleiche Richtung – Diversifikation weg!

Klingt super – wo ist der Haken?

  1. Annahmen gelten nicht für jeden: Das Modell nutzt eine bestimmte Nutzenfunktion (CRRA), US-Steuersysteme und konstantes Anlegerverhalten. Du bist kein Roboter – Panikverkäufe in Crashs sind im Modell nicht vorgesehen.

  2. Disziplin ist Pflicht: 100 % Aktien heißt: Du hältst auch -50 % Drawdown aus, ohne die Nerven zu verlieren.

  3. Liquiditäts- und Haftungsziele fehlen: Manche brauchen planbare Cashflows (z. B. Immobilienkredit, Unternehmensverkauf). Dafür sind Anleihen oft praktisch.

  4. Vergangenheitsdaten ≠ Zukunft: Block-Bootstrap ist besser als simple Durchschnitte, aber bleibt ein Blick zurück. Zukünftige Regimewechsel sind möglich.

Was kannst du konkret mitnehmen?

  • Denk in Zielquoten – nicht in Alterstabellen. Dein persönliches Risiko hängt mehr von Job-Sicherheit, Notgroschen, Nervenstärke und Zielen ab als von der Zahl auf dem Personalausweis.

  • Breit streuen, international investieren. Heimatscheu kostet Rendite und erhöht Risiken.

  • Anleihen mit Aufgabe – nicht aus Gewohnheit. Brauchst du sie als Liquiditätspuffer oder zur mentalen Stabilität? Dann ja. Sonst darf der Aktienanteil ruhig höher sein.

  • Risikomanagement planen. Leg dir Regeln für Rebalancing, Cashreserven und Krisenkommunikation (mit dir selbst!) zurecht.

Fazit

Die Studie ist eine spannende Herausforderung an den Finanz-„Mainstream“. Sie zeigt: Es gibt gute Gründe für sehr hohe Aktienquoten – auch im Alter. Aber „100 % für jeden, immer“ ist kein Dogma, sondern ein Modellresultat. Nutze die Erkenntnisse als Anlass, dein eigenes Portfolio kritisch zu prüfen – nicht als Ausrede, alle Anleihen sofort zu verkaufen.

 

Weiter
Weiter

DiePresse alarmiert hinsichtlich Pensionssystem